Klangexperimente in Perfektion: Joker Nies zählt zur Top-Liga der Synthesizer-Experten. In Deutschland gibt es nur wenige andere Kreative, denen der Umgang und das Musikmachen mit Synthesizern so ins Blut übergegangen sind, wie ihm.
Für KORG INSIDE verrät er nicht nur einige Patch-Tipps sondern auch, warum ihn der neue KORG MS-20 mini und KING KORG genauso begeistern, wie einige seiner modularen Synthesizer-Schränke.
Als Musiker, Toningenieur, Fotograf und Fachjournalist lebt und arbeitet Joker Nies in Köln, wo sich auch seit 1996 sein Studio „KlangBureau“ befindet. Seit vielen Jahren kümmert er sich als Hörspiel-Sound-Designer um zahlreiche Produktionen von WDR und Deutschlandfunk. Zudem leitet er Workshops zu den Themen Circuit-Bending und Creative-Electronics.
Mit kleinen Schaltungen fing es an
Schon seit den frühen 1980er-Jahren faszinieren ihn elektronische Klangquellen und so fing er an mit analogen Modular-Systemen zu experimentieren. Dabei entdeckt er auch, welche Möglichkeiten im Selbstbau von Instrumenten liegen. Mit kleinen Schaltungen fing es an und entwickelte sich bis zu kompletten Modular-Systemen. Später erweiterter er seine Kreativität auch auf DSP-basierte Systeme wie Symbolic Sounds KYMA/Capybara-System und andere Software-basierte Sound-Quellen wie z.B. Max/MSP, die für ihn ein unendliches Feld an Sounds bereitstellen. In den 1990ern begann er, verschiedene Geräte zu modifizieren und bis heute zählt er zu den renommiertesten Circuit-Bendern Deutschlands. Unter seinen geschickten Händen werden aus braven Klangerzeugern wahre Alien-Sound-Monster.
Doch nicht nur als Elektronik-Entwickler ist Joker Nies aktiv, auch sein musikalischer Output kann sich sehen lassen: „Zurzeit bin ich mit drei Projekten aktiv.
Zusammen mit dem Saxophonisten Georg Wissel, der ein präpariertes Saxophon spielt, habe ich gerade eine CD aufgenommen, die in Kürze auf einem amerikanischen Label erscheinen wird. Ich selber habe dabei Klangwelten mit meiner umgebauten und speziellen Elektronik beigesteuert.“
Eine weitere CD ist gerade zusammen mit der Sängerin Anna Homler in Arbeit. Homler ist eine kalifornische Ausnahmeerscheinung, die singt und Kinderinstrumente zum Musizieren benutzt.
„Und dann gibt es seit 2005 das Trio DIE SCHRAUBER, bei dem ich mit Hans Tammen (Endangered Guitar) und Mario de Vega (Sonic Objects) intensiv toure. Wir haben schon in ganz Europa und Übersee gespielt und arbeiten an immer neuen Ideen“, erzählt Joker Nies.
Darüber hinaus gibt weitere Projekte, in denen er aktiv ist, wie zum Beispiel im kommenden Herbst das „Hübsch 8 Projekt“ um den Tubisten und Komponisten Carl Ludwig Hübsch.
Immer auf der Suche nach dem Anderen, dem Neuen
Die musikalische Welt von Joker Nies durchbricht mühelos alle Konventionen und zeichnet sich durch eine ganz eigene Kreativsprache aus. Immer wieder pendelt er zwischen improvisierter Musik und festgelegten Dingen. Er probiert neue Idee aus, verlässt die Pfade, die andere schon ausgetreten haben, immer auf der Suche nach dem Anderen, dem Neuen. „Ich habe gerade einen Live-Gig mit dem Computer gemacht, der in zwei Teile aufgeteilt war. Im ersten haben Isis Krüger und Norbert Stein live auf ihren Instrumenten gespielt und ich habe das mit dem Computer aufgenommen und im zweiten Teil über ein großes Max/MSP-Patch reproduziert. Da war ich schon ein bisschen nervös, was ich sonst eigentlich nie bin. Aber ich habe mir Sorgen gemacht, dass der Rechner abstürzen könnte. Computer stürzen ja eigentlich immer nur während eines Gigs ab und so gut wie nie, wenn es keinen stört. Aber wir hatten Glück und es ist ein sehr interessantes Konzert geworden.“
Wenn Joker Nies seine improvisierte Musik live oder im Studio performt, ist es ihm wichtig, mit möglichst haptischen Instrumenten zu arbeiten. „Ich mag alle Geräte, die keine Zwischen-Layer haben, bei dem ich also z.B. erst Mal einen Controller aufrufen muss, um dann an einem Regler ohne Beschriftung zu drehen, der dann irgendwelche Parameter steuert. Das ist mir mein umgebautes Omnichord deutlich lieber, das reagiert auf Hautwiderstände und gibt mir einen sehr direkten Zugriff. Ich habe verschiedene solcher Instrumente, die alle sehr direkt sind und sich vor allem unglaublich kontrolliert spielen lassen. Zufall kann eine nette Sache sein, aber ich mag es schon, wenn man Instrumente gezielt spielen kann.“
Ein besonderes Instrument ist auch sein selbstgebauter Synth. „Das ist ein Rob Hordyjk Modular-Synth, den habe ich handgebaut. Das hat ein ganzes Jahr gedauert“, verrät Joker Nies.
Schon seit vielen Jahren KORG-Fan
Wenn es ans Circuit-Bending geht, sind es vor allem die älteren Instrumente, die Joker Nies bevorzugt: „Die Geräte aus den 1980er-Jahren sind wirklich super für jegliche Schraubereien geeignet. Zu dieser Zeit waren die Instrumente noch nicht so komplex. Da konnte man noch etwas an der Schaltung verändern, ohne dass es zu Abstürzen kam. Heutige Instrumente melden dann einfach einen Systemfehler und machen gar nix mehr.“
Schon seit vielen Jahren ist Joker Nies auch ein Fan von KORG Instrumenten. In seiner Sammlung befinden sich nicht nur ein KAOSS-Pad 2, KAOSS-pad mini, ein KAOSSilator, ein originaler und ein modifizierter Monotron, sondern auch viele analoge KORG-Synthesizer. „Besonders freut mich, dass mir Ernst Gaida-Hartmann seine MS-Sammlung anvertraut hat, sodass ich insgesamt zwei MS-20, einen MS-50 und einen SQ-10 im Studio habe. Während der eine MS-20 mit dem KORG 35-Chip arbeitet, ist in dem anderen Model das OTA-Filter verbaut. Interessant ist dabei immer wieder, wie unterschiedlich die beiden MS-20 deshalb klingen. Der eine hat einen viel raueren Klang, während der andere superfette, sinusartige Filter-Feedbacks hervorbringt.“
„Beim MS-20 mini gibt es immer noch einen halben Millimeter, auf dem interessante neue Dinge passieren.“
Neben den Originalen finden sich auch der Controller der Legacy-Collection und der MS-20 mini in Joker Nies Studio. „Den Mini teste ich gerade und ich überlege, ob ich mir den nicht auch noch kaufen soll, obwohl ich das Original ja schon habe. Der Mini ist wirklich sehr gelungen, Sound und Haptik sind super. Gegenüber dem Legacy Controller bietet der vor allem viel, viel mehr Nuancen im Regelweg der einzelnen Regler. Beim Mini gibt es immer noch einen halben Millimeter, auf dem interessante neue Dinge passieren.“
„Ich bin begeistert, denn man kann am MS-20 mini Schrauben wie am Original!“
Für Joker Nies liegt der Sound des Mini ganz nah an den Modellen mit 35-er-Filter: „Der Neue klingt vielleicht einen Hauch verhaltener, als das Original. Aber das ist wirklich nur eine Nuance und man muss sehr genau hinhören, um das zu bemerken. Das liegt vermutlich daran, dass früher die Bauteiletoleranzen größer waren, sodass sich ein etwas anderer Sound ergeben hat. Bei dem mittlerweile ja 30 Jahre alten Original klingt dadurch jeder Ton einen Hauch anders, aber vielleicht ist das beim Mini ja ebenfalls so, wenn er ein paar Jahre auf dem Buckel hat (lacht). Allerdings muss man auch sagen, dass diese Nuancen im Mix überhaupt nicht mehr auffallen.“
Besonders fasziniert ist Joker Nies von der Bedienbarkeit des Mini: „Ich bin begeistert, denn man kann daran schrauben wie am Original. Die Regler vermitteln ein gutes Bediengefühl und auch die gesamte Haptik ist gut. Was ich übrigens richtig apart finde ist, dass sogar die Bedienungsanleitung des Originals beigelegt ist.“
Die Limitierungen, die analoge Instrumente mit sich bringen, machen den Reiz für Joker Nies aus. „Diese Geräte waren noch nie multitimbral, es gab keinen Klavier-Sound und genau das macht es aus. Und wenn ich einen Klavier-Klang will, besorge ich mir einen entsprechenden Sample-Player. Aber mir geht es ja um Synthesizer, an denen ich schrauben will, um neue Klänge zu entdecken.“
„Ich lasse ich mich gerne überraschen, wo die Reise hingeht.“
Wenn Joker Nies mit der Programmierung neuer Klänge beginnt, ist oft eine Sinuswelle sein Ausgangspunkt. „Ich lasse ich mich gerne überraschen, wo die Reise hingeht. Dann drehe ich den Modulationsregler auf, nachdem ich vorher etwas Schräges gepatcht habe. Fast immer kommt dabei etwas raus, was ich spannend finde. Letztlich lasse ich meine Ohren entscheiden, wie ich von dieser Stelle aus weitermache.“
Aber auch, wenn er eine feste Vorstellung von einem neuen Klang hat, lässt er immer wieder Freiräume für Zwischenergebnisse: „Auf dem Weg zu meiner Klangidee entsteht oft ein zufälliges Zwischenergebnis, das mich soweit inspiriert, daran weiterzuarbeiten. Das ist der Punkt, an dem ich mir die Verschaltung ansehe um zu verstehen, wie der Sound funktioniert. Dann entscheide ich, ob ich damit etwas anfangen kann und es auch aufnehme. Wer modular arbeitet, muss ja eigentlich immer wieder die Aufnahmetaste drücken, um Ergebnisse zu behalten. Es gibt bei mir also beide Wege bei der Klangentwicklung. Ich probiere immer wieder neue Kombinationen aus und merke mir dann die guten Sachen.“
„Der King KORG ist ein waschechter Synthesizer, der dazu einlädt, selber Klänge zu entwickeln.“
Um andere Sounds zu entwickeln, verwendet Joker Nies gerne Wave-Multipler anstelle von Filtern oder nutzt Oszillatoren mit modulierbarer Wellenform. „Gerade das erzeugt eine Menge an Timbre-Varianten. Soundmäßig orientiere ich mich da gerne so in Richtung Kalifornien und die Westcoast.“
Um sich die Klangprogrammierung zu erleichtern, hat Joker Nies bei seinem gerade fertig gebauten Rob Hordijk Modular bestimmte Vorlieben schon vorverdrahtet. „Ich habe z.B. alle Gates normalized und die Volt/Oktave-Verbindungen sind auch schon auf das Kreuzsteckfeld gelegt. Das spart Kabel, wenn man diese grundlegenden Dinge schon am Start hat.“
Doch nicht nur analoge Klassiker finden sich in Joker Nies Studio, denn gerade erst hat er sich einen King KORG gekauft. „Das ist ein tolles Stage-Instrument, das man mal schnell mitnehmen kann. Vor allem aber hat es sehr überzeugende Synthesizer-Sounds. Zudem hat man sich daran sehr schnell eigene Sounds zurechtgeschraubt und die Röhre ist eine tolle Ergänzung. Von leichtem Ankratzen über guten Overdrive bis volle Kante bietet die ein enormes Potenzial. Da kann man schon richtig was mit machen. Und obwohl es schon eine große Preset-Auswahl gibt, so sehe ich den King KORG wirklich als waschechten Synthesizer, der dazu einlädt, selber Klänge zu entwickeln.
Das ist ein weiterer Vorteil für mich, denn so muss ich die alten Originale nicht mehr mit auf die Reise nehmen, weil der King mir das adäquat ersetzen kann. Und zur Not, wenn man denn mal ein Klavier braucht, findet man das auch noch darin.“
Joker Nies verrät einige Tipps, wie man mit einem Modular-Synth wie dem KORG MS-20 mini zu interessanten Klängen kommt:
Boese FM-Sounds
Man nimmt den Phones-Ausgang und koppelt diesen auf den Total-Eingang, also die linke obere Buchse im Steckfeld. Damit kann man über den Total-Eingang eine Art Frequenzmodulation erzeugen, die einen eher bösen Charakter zeigt und keineswegs normal klingt.
Aber auch Filter-FM kann man so auf eine böse Art erzeugen, was dann zu einem verzerrten und harschen Klang führt.
S&H (Sample & Hold) mit Rosa Rauschen
Ein Klassiker ist natürlich Sample & Hold. Da gebe ich Pink Noise auf den S&H-Eingang, das Rechtecksignal vom Modulationsgenerator wird dann für die Clock herangezogen und den Ausgang kann man auf die Total-Buchse patchen, dann kann man die Filter- und auch die Oszillator-Frequenzen damit verändern.
Externen Eingang für perfekten Sync nutzen
Was auch immer gut kommt sind Experimente mit dem „External Signal Prozessor“. Wenn man den MS-20 mit etwas triggern will, das keinen Trigger-Ausgang hat, kann man den Ausgang des Geräts einfach mit dem Prozessoreingang verbinden und Signal-Level und Threshold so einstellen, dass ein klarer Trigger-Impuls entsteht. Schon läuft der MS-20 im Sync mit.
Das mag alles kompliziert klingen, aber es sind eigentlich ganz einfache Dinge, die man mit drei Kabeln machen kann.
Zum Produkt:
MS-20 mini |