Der bekannteste deutsche Arrangeur der Pop-Gegenwart

Er ist einer, den man immer wieder im Radio oder innerhalb von Bewegtbildformaten hört und sieht, ohne überhaupt zu bemerken, dass es so ist. Lillo Scrimali ist mutmaßlich der bekannteste deutsche Arrangeur der Pop-Gegenwart und kann sich dennoch jederzeit frei bewegen. Wir haben ihn (mehrfach) getroffen und mit ihm über, natürlich, Musik gesprochen, über Genuss und selbstverständlich über die „The Voice of Germany“-Formate, denen er seit Jahren seinen faszinierenden Stempel aufdrückt. Dass KORG-Instrumentierung dabei eine zentrale Rolle spielt, ist für den gebürtigen Schwaben mittlerweile selbstverständlich. 

Lillo Scrimali im Studio (Foto: Sabrina Feige)
Foto: Sabrina Feige

Es ist einer dieser eher schnöden Sommertage, der sich dreisterweise als Herbst verkleidet hat und dessen Lust auf Wind und Nässe die Jahreszeit typische Leichtigkeit im Wortsinne zudecken. Einzelne Sonnenstrahlen schaffen es hin und wieder durch die unerbittliche Wolkendecke und tauchen die hohen Lärchen am Berliner Technologiepark Adlershof in ein faszinierendes Licht. Fotografen wären begeistert, Autoren sind es auch. Zu kalt ist es trotzdem. Sommer geht anders. 

Wir sind in der deutschen Hauptstadt Berlin, Bezirk Schöneberg. Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Adlershof ist der wahrscheinlich bestbeleumundete Rahmen für Werbung, Kino und Fernsehen. Bekannte Formate wie „Tatort“ und „Polizeiruf“ werden hier gedreht. Kreative aus vielen Branchen machen diesen multifunktionalen Standort zum Zentrum ihres Schaffens. Automarken wie BMW, Lexus und Porsche nutzen die Adlershofer High-Tech-Kulisse. Talkshows wie „Anne Will“, „hart aber fair“, der „Quiz Champion“ oder „klein gegen GROSS“ entstehen in den verschiedenen Studios. Und ein Straßenfeger, der auch nach der zehnten Auflage noch immer einer ist: „The Voice of Germany“.

Die Tür zu diesem riesigen Raum lässt sich nur mit einer Menge Muskelkraft öffnen. Als müssten die hier entstehende Energie und schier unerschöpfliche Schaffenskraft beschützt werden. Wir betreten ein vollausgestattetes Studio deutlich jenseits der 400 Quadratmeter. Lillo Scrimali sitzt hinter seiner Tastenburg, um ihn herum eine Armada an Musikern auf höchstem handwerklichen Niveau. Flo Dauner etwa, trommelnder Sohn der deutschen Jazzlegende Wolfgang Dauner und Rhythmusgeber diverser Top-Acts des Landes. Ohne Zweifel auch Bassist Dominik Krämer, der mit den Heavytones einst „TV Total“ bespielte und heute unter anderem zur Stammkapelle von „Sing meinen Song“ gehört. Diese beiden stehen stellvertretend für eine illustre, wilde Bande die immer auf ihren Anführer Lillo Scrimali hören, ihm bedingungslos vertrauen. 

Aus gutem Grund. Es sprengte alle Rahmen, wollte man die Meriten dieses Mannes aufzählen, seine Expertise, seine Erfahrung, sein Talent, seinen ungemeinen Fleiß, seine Bescheidenheit. Auch an dieser Stelle stellt der erstaunte Rechercheur fest: Er ist umtriebig wie kein Zweiter, dennoch ist wenig zu finden über dieses besondere Schaffen, das seinen Alltag auszeichnet. Eigene Homepage? Nein, oder sehr gut versteckt. Wikipedia, ja, aber kurz, gemessen an anderen, viel zu kurz. In der Fachpresse findet der geneigte Leser dann ein bisschen was, aber alles bleibt wohltuend fokussiert auf die Kunst, die häufig genug auch sehr harte Arbeit und auch im Scheinwerferlicht Entbehrungen mit sich bringt. Fast schon ein Novum in einer Branche, die Narzissmus normalerweise auslebt wie sonst vielleicht noch die Fußball-Menschenkinder in der VIP-Nachbarschaft.

Bescheidenheit, (Gast-)Freundlichkeit, Fleiß und Leidenschaft, aber auch Genuss sind die Konstanten des Lebens von Lillo Scrimali, die sich bewährt haben, auf die er heute alles gründet. Werte mit Herkunft.

Aufgewachsen ist Lillo Scrimali im beschaulichen Speckgürtel von Stuttgart, Kirchheim unter Teck, als Kind italienischer Einwanderer. Kleinstädtisch, mit allen Vor- und Nachteilen, die eine Siedlung um die 40.000 Einwohner mit sich bringt. Es wurde hart gearbeitet in der Familie Scrimali, der Vater war Polsterer, die Mutter Schneiderin, gleichzeitig verstanden es die Eltern aber auch, den Kindern die Relevanz der schönen Dinge des Lebens zu vermitteln. Musik war ein zentrales Thema bei den Scrimalis. Sehr früh startete Lillo mit dem Klavier, mit sechs Jahren bekam er erstmals klassischen Unterricht. Schritt für Schritt entwickelte er sich weiter, noch vor der Pubertät hatte Lillo schließlich erstmals organisierten Kontakt zum geliebten Jazz, in einer speziellen Schule.

Was sich koordiniert und geplant liest, relativiert Lillo schnell: „Am Ende hat mir das akademische Musizieren sicher auch geholfen, darauf kam es mir aber nicht an“, erzählt er schmunzelnd. „Ich habe viel mehr, man könnte sagen auf der Straße gelernt, durch die Herausforderungen, das Herumprobieren.“ Und vielleicht hatte auch sein Vater ihm den entscheidenden Tipp für Weiterentwicklung gegeben. „Er hat immer gesagt, dass ich mit besseren Musikern zusammenspielen soll, weil ich mir sehr viel abschauen kann. Das habe ich gemacht.“

Der kommerzielle Erfolg startet in Stuttgart mit einem Ohrwurm, den man nicht mal hören muss, um sich zu erinnern. „One to make her happy“ von und mit dem österreichischen Musiker Marque und, richtig, Lillo Scrimali. Dass auch Musiker mit seiner Grandezza bei der Frisurenwahl dezent danebenliegen können, dokumentiert zeitgenössisches Bewegtbild für MTV und Co., wir verbuchen es viele Jahre später unter geschmacksicherem Humor. 

Es ist aber mitnichten so, dass mit diesem Hook-Monster der Grundstein seiner Karriere gelegt ist. Lillo hat immer gespielt, gespielt, gespielt, Hochzeiten hier, Coverzeugs da, kaum ein Format, das er nicht mit seiner Kunst bereichert hätte. Und die sprengt inhaltlich viele Grenzen. Lange vor seiner ersten Beteiligung an Heavy Rotation-Songs war er schon im Auftrag des Salsa unterwegs oder mit Jazzgrößen wie Nils Landgren oder Legende Billy Cobham auf Tour – bis heute Helden für ihn. Lillo lebt Pop eher im Sinne von Popularmusik und all den damit verbundenen Genres, weniger in einer Rolle, die kommerzielle Kanäle, wie etwa Hitradios, daraus stricken. 

Lillo Scrimali im Studio (Foto: Sabrina Feige)
Foto: Sabrina Feige

Dennoch sind es die großen Namen des heimischen Popbiz, die seinen weiteren Weg prägen und das Fundament legen für sein berufliches IST. Die großartige Stuttgarter Kreativkonglomerat um FANTA 4, Max Herre, Joy Denalane, für die er Bühnen und Platten bespielt, arrangiert, organisiert. Es ist wie es ist und es kommt wie es kommt: Türen öffnen sich, vor allem Fernsehstudiotüren. In Köln zum Beispiel, das Format: „Deutschland sucht den Superstar!“ Lange Zeit Champions League deutscher Fernsehunterhaltung, auch weil andere Schlachtrösser kurzweiliger Samstagabende wie „Wetten dass…“ schon länger schwächeln. Aus der geplanten Produktion einzelner Playbacks entwickelt sich für Lillo hier die Aufgabe, eine Studioband zusammenzustellen und als Musical Director zu leiten. Nebenbei ist er weiterhin fester Teil der FANTA 4-Kapelle und pflegt weitere Projekte. 

Nicht erst an dieser Stelle manifestiert sich für die sensible Künstlerseele Lillo Scrimali eine Rolle, die er heute nahezu perfekt ausfüllt: Eine Art Schattenmann, den man ob seiner Erfolge und der Vielzahl spektakulärer Erlebnisse unbedingt als Popstar bezeichnen muss, der aber dennoch im Hintergrund agieren (darf). Er behandelt seine Band äußerst respekt-, fast schon liebevoll, wie eine eigene große Familie. Er hat Geduld mit jedem Talent, und eine jedes Jahr startet mit mehreren Einhundert von Ihnen. Seine Empathie scheint unerschöpflich, ebenso seine Energie. Nicht ohne Grund klaut eine Matratze ihm ein klein wenig Studioraum. Wenn seine Jungs in den Feierabend gehen, beginnt für Lillo gerade in Zeiten der Produktion von „The Voice of Germany“ regelmäßig die zweite Schicht: Dutzendfaches neu arrangieren von Songs, Bestückung aller Musiker mit Noten und Informationen, Vorbereitung der nächsten Schritte, Durchdenken von Abläufen, Sinne schärfen. 

Lillo Scrimali thematisiert es nicht gerne, stellt sich ungern in den Mittelpunkt, ist aber an diesem Ort in Berlin und vielen anderen Orte beziehungsweise Projekten exakt das: ein Zentrum, ein Ruhepol, ein Hort der Kreativität und der Empathie, ein Erfolgsgarant. Und einer, der keine Mühen scheut um sicherzustellen, dass ausschließlich herausragender Kaffee den Weg in die Tassen seiner Mitmenschen landet.  

Die Tür fällt schwerfällig ins Schloss. Lillo Scrimali schaut trotz beachtlichen Geräuschpegels auf, entdeckt uns sofort und winkt uns freundlich zu. Ein freundlicher Empfang. Wir freuen uns auf die Begegnung mit einem besonderen Typen, Mensch und Musiker. 


Lillo, wofür hat es sich heute Morgen gelohnt, aufzustehen?

(lacht). Da könnte ich sicherlich mehrere Dinge nennen, ich entscheide mich mal für meinen Tagesstart. Ich bin heute sehr gerne aufgestanden für ein tolles italienisches Frühstück, draußen an der Sonne bei meinem Lieblings-Sizilianer Pino.

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wir hatten in den vergangenen Monaten die Gelegenheit, Dich mehrfach zu treffen. Ich habe selten zuvor einen Menschen getroffen, der so leidenschaftlich für verschiedene Dinge brennt wie Du, nicht nur, aber eben auch Musik. Wann war Dir klar, dass Musik eine Hauptrolle in Deinem Leben spielen würde?

Ich weiß nicht, ob mir das klar war oder ob ich einfach immer getan habe, was mir großen Spaß gemacht hat. Schon im Alter von zwei Jahren durfte ich bei den Proben meiner Onkel dabei sein, die Keyboard und Schlagzeug gespielt haben. Es hat mich beeindruckt, wie sich die verschiedenen Instrumente, die verschiedenen Teile zu einer Musik zusammenfügen. 

Als ich vier Jahre alt war, bekam ich meine erste Heimorgel, danach ging alles ziemlich schnell. Ich konnte nach Gehör spielen und habe, ungefähr zu dem Zeitpunkt als ich eingeschult wurde, dann auch klassischen Unterricht bekommen.

Später, zu Beginn der Pubertät kam dann das Interesse für Jazz und Soul, und der Unterricht veränderte sich entsprechend hin zu Themen wie Jazz-Harmonik. Gerade diese Phase war eine sehr spannende und sehr prägende Zeit für mich. Da muss ich unbedingt meinen damaligen Lehrer erwähnen und mich bei ihm bedanken: Ein großes Dankeschön an Stefan Veit.

Du weißt den Namen sogar noch? Das ist bemerkenswert. Wer oder was hatte denn zuvor die Begeisterung ausgelöst?

Ausgelöst wurde meine Begeisterung ganz klar von der Liebe zur Musik meiner Eltern. Und der meiner Onkel. Ich erinnere mich genau, dass ich im Alter von 12 Jahren mein erstes großes Konzert besuchen durfte. Headliner damals waren Earth Wind & Fire, im Vorprogramm waren Al Jarreau und Chaka Khan. Absolut fantastisch. Das war wie eine Explosion in meinem Kopf. In diesem Moment wusste ich ganz genau, dass ich das auch machen möchte.

Hast Du Leidenschaft und Dein überbordendes Talent an eines Deiner Kinder vererben können?

Tatsächlich können sich meine Jungs dieser Leidenschaft nicht entziehen. Musik ist bei uns zu Hause immer präsent. Gerade die Jungs waren auch oft bei Proben und Konzerten dabei,  für sie ist dieser Job ihres Papas normal, sie saugen die Musik unbewusst und ungefiltert auf. Mein ältester Sohn Maurizio spielt Schlagzeug, er ist Absolvent des „Abbey Road Institute“, fühlt sich jedoch mehr als Producer und Songwriter. Unter anderem unterstützt er mich bei „The Voice“ im Bereich Programming und Drum Triggering.

Die anderen drei Jungs, sie sind 12 und zwei Mal neun Jahre alt, spielen Schlagzeug, Bass und Gitarre. Ist alles dabei, was eine ordentliche Band braucht. (lacht)

Mir ist in erster Linie wichtig, dass sie Spaß an der Musik haben, es muss keiner Musiker werden, nur weil ich diesen Weg eingeschlagen habe. Wir haben übrigens auch noch einen Fotografen und einen angehenden Physiotherapeuten im Haus.

Deine musikalische Sozialisierung ist hochspannend und reicht von Jazz bis zu klassischen Pop-Formaten. Wie passen Nils Landgren etwa und FANTA 4 zusammen?

Das passt gut! Ich unterteile Musik nicht in Genres. Musik ist ein Gefühl, entweder es berührt mich oder nicht. Ich bin erst spät zur Popmusik gekommen, das wissen die wenigsten. Mein Fokus war lange Zeit ein anderer: Mit Anfang 20 war ich bereits mit Ernie Watts auf Tour oder auch verschiedenen Salsa und Latin Jazz-Formationen unterwegs. Das zieht sich durch bis heute: Vor einigen Jahren durfte ich als Gast-Keyboarder mit Legenden und meinen Jugendidolen Billy Cobham, Eric Marienthal, Jimmy Haslip spielen; das war toll. 

Ich finde es immer wieder sehr lustig, wenn Besucher oder auch Musiker nach Konzerten kommen und sich wundern, dass ich Jazz oder Salsa spiele. Dass ich das eigentlich schon immer gemacht habe, mag nicht so bekannt sein, aber für mich ist es kein Widerspruch zu meinen sonstigen, vielleicht eher Pop lastigen Projekten. Es ist eher eine Ergänzung. 

Bei welchem Deiner musikalischen Projekte kannst Du Dich fallenlassen? Gibt es so etwas überhaupt?

Ich kann mich grundsätzlich immer fallen lassen und mein musikalische Arbeit genießen, da ich es mir leisten kann, nur Projekte anzunehmen, die mir Spaß machen. Der Grad des Glücks unterscheidet sich schon ein wenig; bei kleineren Formationen wie einem Quartett sind mehr Freiheiten im Spiel möglich, da bin ich vielleicht dann auch noch zufriedener. Grundsätzlich erfüllt mich meine Arbeit in der Musik aber immer mit Glück. 

Heute bist Du einer der gefragtesten Arrangeure des Landes, Live-Musiker auf den größten Bühnen. Einer, den man ständig hört und dennoch irgendwie nicht kennt. Ärgert Dich das manchmal oder bist Du glücklich, Musikern so „dienen“ zu können, dass sie perfekt inszeniert sind?

Nein, das ärgert mich überhaupt nicht. Es ist genau mein Ding und passt zu meinem Charakter. Ich muss nicht im Vordergrund stehen. Menschen, die meine Arbeit Interessiert, informieren sich und lernen mich dabei auch ein wenig besser kennen; zum Beispiel über Interviews wie dieses oder den Podcast, den wir zusammen gemacht haben (Anmerkung der Redaktion: KORG KOFFEE BREAK läuft seit Frühjahr 2021 auf allen bekannten Kanälen). Das sind dann diejenigen, die mich gezielter ansprechen und denen ich auch gerne antworte. 

„The Voice“ bestimmt Dein Leben schon länger als zehn Jahre? Was fasziniert Dich an diesem, doch eigentlich auch sehr herausfordernden Format?

Von außen betrachtet ist diese Frage absolut berechtigt. Es ist selten, dass ein Projekt über einen derart langen Zeitraum so gut vom Publikum angenommen wird. Meine persönliche Faszination hat mehrere Quellen: Handwerklich finde ich es Jahr für Jahr ziemlich herausfordernd, in relativ kurzer Zeit 300 Arrangements zu schreiben. Das hilft tatsächlich, am Puls der Zeit zu bleiben, musikalisch und auch technisch. 

Ein wesentlicher Faktor sind für mich auch ganz klar die Menschen. Jede Ausgabe aufs Neue bewundere ich diese großartige Band. Sie ist wie eine Familie für mich. Und wir haben gemeinsam das Vorrecht, interessante Talente kennenzulernen und internationale Gäste, die wir dann begleiten. 

Viele gute Gründe. Es gäbe sicher noch mehr. Und ich mache ja auch „The Voice Kids“; da gibt es nochmal mehr Faszination (lacht)

Lillo Scrimali bei The Voice of Germany (Foto: Simon Steinhoff)
Foto: Simon Steinhoff
Lillo Scrimali bei The Voice of Germany (Foto: Simon Steinhoff)
Foto: Simon Steinhoff

Ihr seid inmitten der elften Ausgabe; bitte beschreibe kurz die Aufgaben, denen Du Dich als verantwortlicher Musical Director stellen musst. Welche Deiner Mühen bleiben den Zuschauern verborgen?

Oh, ganz viele schlaflose, arbeitsreiche Nächte und eine Menge disziplinierte Proben mit dieser sehr ehrgeizigen Band zum Beispiel. Stell’ Dir vor, dass wir 140 Songs in fünf Probetagen zu bewältigen haben. Das ist in jeder Hinsicht richtig anstrengend, fordernd. Jeden einzelnen Song zu verstehen, anzunehmen und als Band überzeugend zu spielen. Nicht zu vergessen, dass wir von Klassik, Jazz, Soul, Funk, EDM, Heavy Metal, Rock im Grunde alle Stile beherrschen müssen. Dass sie das über Jahre schon kann, zeichnet meine Band aus. Hinzu kommt sehr viel organisatorisches Drumherum. Es ist auf jeden Fall sehr viel mehr, als im abgedunkelten Rücken eines großartigen musikalischen Talents ein bisschen Musik zu machen. 

Kannst Du sagen, welches „The Voice“-Talent Dich bisher am stärksten beeindruckt hat ?

Ja, das war Andreas Kümmert. Er hat mich damals sehr beeindruckt und auch überrascht! Das soll die Leistungen der anderen aber nicht schmälern, es sind so viele andere über die Jahre. Es gibt wirklich ein großes Reservoir an Talenten. 

Dann hätten wir gerne noch eine kleine Lobhudelei auf die von Dir handverlesene, tatsächlich unglaublich lässige „The Voice“-Band.

Das Wort „Lobhudelei“ finde ich super. Da hab‘ ich als Italiener wieder etwas gelernt. Ich bin schon sehr italienisch aufgewachsen, darum fehlen mir einige deutsche Redewendungen oder Begriffe. Das geht so weit, dass mich meine Kollegen manchmal auslachen, da ich vieles durcheinander bringe.

Apropos Kollegen, das Besondere an dieser Band ist: Jeder Einzelne ist im Grunde ein gestandener Künstler und Producer auf höchstem Niveau. Dieser Umstand hilft, die Musik, die wir gemeinsam spielen, immer als Ganzes zu sehen. Im Mittelpunkt steht nicht der einzelne Part, sondern nur der Song und unser Zusammenspiel. 

Wie wirkt sich das aus?

Wir diskutieren bis kurz vor der Aufzeichnung noch über jeden Ton, ringen um die Sounds. Wir versuchen gemeinsam, das Optimum herauszuholen. 

Du lebst in Köln, arbeitest häufig in Berlin, ein Leben zwischen einer „typisch deutschen“ Oase einerseits und der erbarmungslosen Hektik des Showgeschäfts auf der anderen Seite; woraus speist sich Deine Stressresillienz?

Dieser Stress ist kein negativer, sondern, im Gegenteil, sehr positiver Natur. Ich ziehe eine Menge Kraft aus den Umständen und das entstehende Adrenalin hilft, auch schon mal zwei Tage ohne Schlaf durchzuhalten. Ansonsten mache ich viel Sport, koche und backe auch wenn ich unterwegs bin.

Darüber müssen wir reden, Lillo. Du bist ein Genussmensch, und das betrifft in Deinem Fall keineswegs ausschließlich Musik: Du liebst Kaffee, gutes Essen, die Essenzen des Lebens. Warum ist Genuss für Dich ein Schlüssel zu einem glücklichen Leben?

Ich bin überzeugt, dass Kochen und Backen, das Zubereiten eines Kaffees sehr viele Berührungspunkte mit unserem Beruf als Musiker hat. Unsere perfekten Gewürze und Zutaten sind Geduld, eingehaltene Deadlines, die Arbeit am Instrument. Ich denke, es sind die Parallelen und wahrscheinlich ist es auch Typ bedingt, dass ich die schönen Dinge des Lebens mag. Wir haben übrigens in der Band häufiger kulinarische Abende, an denen wir alle zusammen kochen. Und in diesem Jahr hatte ich sogar einen Gas-Pizzaofen dabei.

Gib uns bitte einen Tipp für gute Kaffee-Bohnen?

Darf ich das hier? Ist das keine Schleichwerbung?

Doch, wahrscheinlich schon, aber wir fragen einfach trotzdem, weil es wirklich spannend ist. 

Okay, dann verrate ich Dir schon mal, was ich auf keinen Fall mag: Viele dieser modernen Sorten mit Säure, Kirschgeschmack beispielsweise. Mein Espresso muss wie in einer italienischen Bar schmecken, nussig, ein bisschen schokoladig, und er muss dickflüssig sein.

Zwischen 70 Prozent Arabica und 30 Prozent Robusta-Anteil sollte er sein, es geht aber auch etwas milder im Verhältnis 80/20.

Bei den Marken empfehle ich Manaresi Rosso, Barrista Café aus Florenz, den wir auch bei „The Voice“ haben. Bei mir zu Hause trinke ich Tre Forze, Barrista Café aus Sizilien. 

Mit sichtbarem Genuss bespielst Du auch Dein KORG-Equipment wie KRONOS, SV-1, SV-2, MS-20. Was zeichnet KORG-Hardware aus?

Ich benutze bei „The Voice“ aktuell einen SV-2, einen KRONOS, Wavestate und den Prologue 16. Für mich ist es zusätzlich zum Sound wichtig, dass die Bedienung und Programmierung schnell von der Hand geht. Das bewundere ich an den beschriebenen Keys definitiv. Der SV-2 und Prologue sind seit vergangenem Jahr meine treuen Begleiter. Ich bin manchmal selbst überrascht, wie schnell sich Sounds damit programmieren lassen. Ich mache mir Templates in verschiedenen Kategorien, beispielsweise Pads, Sweeps, Plucks, Poly Synths, Leads und kann dann schnell neue Sounds anpassen.

Beim KRONOS, mache ich mir im Vorfeld auch Soundnotizen. Begeistert bin ich nach wie vor von den außerordentlich gut spielbaren Strings und Orchester-Sounds der Kurt Ader KAPRO Libraries. Die benutze ich auch im Studio, um echte Strings zu doppeln.

Wie unterscheidet sich Dein Set-up live von dem im Studio bzw. bei Aufzeichnungen?

Im Studio habe ich einen anderen Ansatz, da muss nicht alles schnell gehen. Ich experimentiere viel, forsche nach neuen Sounds. Ich mische gerne alte analoge Synths mit modernen zusammen; mein MS 20 FS und der Arp 2600FS kommen da viel zum Einsatz. Dazu kombiniere ich verschiedene Pedals oder Outboard Effekte. Oder ich lasse meine Keys über meine Hammond B3, Leslie laufen. Ein neues tastenloses Instrument ist dieses Jahr dazugekommen: Das Harpejji, eine Art Surfbrett mit 16 Gitarrensaiten, Bünde, und Pickups. Sehr inspirierend! 

Welche Musik hast Du zuletzt für Dich entdeckt ?

Ich sage mal wiederentdeckt: Chopin! Großartige Musik. Hört Chopin! 

Bis zum Ende des Interviews haben wir es geschafft, „Corona“ nicht zu thematisieren und vielleicht ist das sogar noch nicht einmal aufgefallen. Eines interessiert mich noch: Was hast Du aus den vergangenen beiden Jahren gelernt ?

Dass wir aus jeder Situation etwas positives machen können und dass wir es immer versuchen sollten. Außerdem ist mir neu bewusst geworden, wie wichtig mir meine Familie ist, auch der Zusammenhalt mit meinen Freunden, Wertschätzung unter uns Menschen.

Lieber Lillo, vielen Dank, dass Du Dir wieder die Zeit genommen hast. Alles Gute für Dich und Deine Familie. Viel Erfolg weiterhin.  

Lillo Scrimali und der ARP 2600 M (Foto: Sabrina Feige)
Foto: Sabrina Feige

Lillo Scrimali spielt:

KRONOSSV-2MS-20
wavestateprologue

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